Der "Fall" Schlaudraff
Dieser Beitrag kam eigentlich von drüben aus der Kategorie "Tivoli". Da jene jetzt quasi diesem Blog zum Opfer gefallen ist und der Beitrag darüberhinaus ein weiteres Kuriosum in der Geschichte der Alemannia darstellt, daher also durchaus noch erwähnenswert ist, hier sozusagen eine umgezogene, modifizierte Rückschau:
In der Printausgabe vom 03.05.2007 der Aachener Nachrichten findet sich ein Interview mit Michael Frontzek zur "Sache" Schlaudraff. Wahrscheinlich eine Reaktion auf die Äußerungen des Beraters Schulte. Denn es gab also doch verfrüht Schmutzwäsche...
Auf den Vorwurf, bezüglich Schlaudraff die Sündenbock-Strategie zu fahren, antwortet Frontzek, er sei nicht der Typ für Vertuschungen, halte er doch eh am Ende den Kopf hin für jegliche Entscheidung. 1:0. "Ich sehe sonst bundesweit keine Mannschaft, bei der sich ein Spieler völlig herausnimmt, wie er das macht."
Wir erinnern uns: Am 18.07.1983 erblickt der Sohn eines Pfarrers und einer Lehrerin in Waldbröl das Licht der Welt. Seine fußballerische Karriere startet Jan Schlaudraff bei der JSG Wissen, wechselt 1996 zu Hassia Bingen, um schließlich 2002 bei der Borussia aus Mönchengladbach zu landen. Gesegnet mit großem Talent macht er dort Hoffnung auf mehr, bis ihn eine mysteriöse Viruserkrankung zurückwirft und an den Rand der Invalidität bringt. Er erholt sich wieder, bleibt jedoch chancenlos unter Patriarch Dick Advocaat (hmm...) und wird in der Winterpause der Saison 04/05 nach Aachen ausgeliehen, wo er Ende der gleichen Spielzeit übernommen wird.
Hier zeigen sich erste Probleme mit Autorität, die aufgrund seines Alters aber durchaus entschuldigt werden können (Willi Landgraf sagte damals so etwas wie:"Der Junge hat von uns ersma was vor den Latz bekommen und ist jetzt in Ordnung."). Es folgt der UEFA-Cup mit Aachen und die Aufstiegssaison, sowie - wie jetzt bekannt wurde - weitere Scharmützel den Vertrag betreffend. Eine Suspendierung im November 06 schmälert zwar nicht seine Leistungen, lässt aber zum ersten Mal die Öffentlichkeit aufhorchen, die sich jedoch eher auf Frontzeck stürzt und nur vage die "unglückliche" Körpersprache Schlaudraffs registriert.
Nach Traumtoren gegen Bremen und Bayern und Spitzenleistungen in diversen Spielen richtet sich u.a. der Fokus des Uli Hoeness auf das zum erweiterten Kreis der Nationalmannschaft gehörenden Talents. Zu dem Zeitpunkt gönnen es ihm die meisten, bei einem größeren Verein einen nächsten Schritt in der Entwicklung machen zu können, zeigte Jan Schlaudraff oftmals in der Hinrunde doch bei deutschen (Offensiv-)Spielern in letzter Zeit eher selten gewordene Qualitäten: gutes Spiel mit und ohne Ball, gutes Auge, viel Gefühl, Torgefahr - teilweise aus dem Nichts - und das Ganze mit Höchstgeschwindigkeit. Die Entscheidung fällt zugunsten der Bayern - viele hatten das vorausgesehen und quittieren das mit teilweise unqualifizierten Verbalinjurien oder Gesten; weitere rechnen ihm keinerlei Chancen aus und verbuchen den Transfer unter der Rubrik "den Konkurrenten wieder ein Talent wegkaufen", wiederum andere wünschen ihm einfach Glück.
Der aus diesem früh bekannt gegebenen Wechsel und Schlaudraffs Aussage dazu erwachsene Druck scheint ihn nun in der Rückrunde zu hemmen - zu diesem Zeitpunkt nachvollziehbar. Auch sein "Torjubel" (ein böser Blick Richtung Fanblock) nach den Beleidigungen scheint verständlich, stehen aber nun in einem völlig anderen Licht: Kritikfähigkeit (angesichts der Art und Weise der "Kritik" vielleicht die falsche Wortwahl, vielmehr ist hier seine Reaktion relevant)?
Nun folgen mal gute, mal schlechte Spiele, in denen Schlaudraff eher nicht auffällt und im Gegenteil immer mehr unterzugehen droht; immer wieder rückt seine Körpersprache und sein fehlendes Nachsetzen nach Ballverlust in den Mittelpunkt, bedingt auch durch seine Rolle als Hoffnungsträger und die geringe Punktausbeute, die die Gesamtleistung der Mannschaft widerspiegelt und vielleicht auch drückt. Hinzu kommt die allseits bekannte und kommentierte Alkoholfahrt mit Kumpel Ebbers, nach welcher nicht wenige vermuteten, Ebbers sei der beste Freund, den man haben kann, wenn er sich hinters Steuer setzt, um Schlaudraff die Höchststrafe und einen entsprechenden Ruf zu ersparen (soweit das Gerücht!).
Seine Kritiker werden wieder lauter, weichen aber immer mehr vom "Schonen für die Bayern" ab und gehen vermehrt in die Richtung Verständnislosigkeit für Schlaudraffs Verkennen der prekären Situation. Weg also von seinem Vereinswechsel.
Der Höhepunkt am 28.04.2007 gegen Berlin, als sich sein Verkennen für den Zuschauer als dreistes Desinteresse bemerkbar macht: Pinto liegt mit Wadenkrampf am Boden, Schlaudraff dreht ab und lässt ihn scheinbar liegen. Gespräch, Suspendierung, Nachkarten. Wer hat hier auf wen keine Lust mehr? Und wie lange schon?
Immer offensichtlicher wurde also ein Mangel an Kritikfähigkeit, gerade, wenn man es mit solchen Stoikern (vollkommen wertfrei!) zu tun hat, wie Schmadtke, Frontzeck oder gar Advocaat... Einen wirklichen Einblick in die Historie, also wer wann wie womit angefangen hat, wird es wohl wie immer nicht geben. Den Vorwurf des mangelnden Einsatzes und Bisses muss sich Schlaudraff aber allemal gefallen lassen, egal aus welcher Motivation das geschieht. Dazu ist er Profi: Arbeit abliefern, Vertragsbedingungen erfüllen. Auch wenn man sich (als Fan sowieso) schon lange von der puren Identifikation mit dem Arbeitgeber (dem Verein) verabschiedet hat. Ein Mindestmaß an Leistung darf man durchaus erwarten.
Das Frontzeck Interview ist jetzt auch online.
[Anmerkung]
Wie gesagt, ich halte das Ganze retrospektiv immer noch für interessant, denn mittlerweile ist Schlaudraff bei den Bayern "angekommen": ein Bandscheibenvorfall und eine dementsprechende Operation werfen ihn dahingehend zurück, dass er den Trainingsauftakt verpasst und frühestens Mitte Juli wieder angreifen könnte. Darüberhinaus deutet die jüngste offensive Transferpolitik der Bayern nicht unbedingt daraufhin, dass sie auf einen wie Schlaudraff gewartet haben...
Bleibt abzuwarten, ob sich das Ganze für Jan (sportlich) lohnt, oder ob der Berater ihm da nur einen Floh ins Ohr gesetzt hat.
In der Printausgabe vom 03.05.2007 der Aachener Nachrichten findet sich ein Interview mit Michael Frontzek zur "Sache" Schlaudraff. Wahrscheinlich eine Reaktion auf die Äußerungen des Beraters Schulte. Denn es gab also doch verfrüht Schmutzwäsche...
Auf den Vorwurf, bezüglich Schlaudraff die Sündenbock-Strategie zu fahren, antwortet Frontzek, er sei nicht der Typ für Vertuschungen, halte er doch eh am Ende den Kopf hin für jegliche Entscheidung. 1:0. "Ich sehe sonst bundesweit keine Mannschaft, bei der sich ein Spieler völlig herausnimmt, wie er das macht."
Wir erinnern uns: Am 18.07.1983 erblickt der Sohn eines Pfarrers und einer Lehrerin in Waldbröl das Licht der Welt. Seine fußballerische Karriere startet Jan Schlaudraff bei der JSG Wissen, wechselt 1996 zu Hassia Bingen, um schließlich 2002 bei der Borussia aus Mönchengladbach zu landen. Gesegnet mit großem Talent macht er dort Hoffnung auf mehr, bis ihn eine mysteriöse Viruserkrankung zurückwirft und an den Rand der Invalidität bringt. Er erholt sich wieder, bleibt jedoch chancenlos unter Patriarch Dick Advocaat (hmm...) und wird in der Winterpause der Saison 04/05 nach Aachen ausgeliehen, wo er Ende der gleichen Spielzeit übernommen wird.
Hier zeigen sich erste Probleme mit Autorität, die aufgrund seines Alters aber durchaus entschuldigt werden können (Willi Landgraf sagte damals so etwas wie:"Der Junge hat von uns ersma was vor den Latz bekommen und ist jetzt in Ordnung."). Es folgt der UEFA-Cup mit Aachen und die Aufstiegssaison, sowie - wie jetzt bekannt wurde - weitere Scharmützel den Vertrag betreffend. Eine Suspendierung im November 06 schmälert zwar nicht seine Leistungen, lässt aber zum ersten Mal die Öffentlichkeit aufhorchen, die sich jedoch eher auf Frontzeck stürzt und nur vage die "unglückliche" Körpersprache Schlaudraffs registriert.
Nach Traumtoren gegen Bremen und Bayern und Spitzenleistungen in diversen Spielen richtet sich u.a. der Fokus des Uli Hoeness auf das zum erweiterten Kreis der Nationalmannschaft gehörenden Talents. Zu dem Zeitpunkt gönnen es ihm die meisten, bei einem größeren Verein einen nächsten Schritt in der Entwicklung machen zu können, zeigte Jan Schlaudraff oftmals in der Hinrunde doch bei deutschen (Offensiv-)Spielern in letzter Zeit eher selten gewordene Qualitäten: gutes Spiel mit und ohne Ball, gutes Auge, viel Gefühl, Torgefahr - teilweise aus dem Nichts - und das Ganze mit Höchstgeschwindigkeit. Die Entscheidung fällt zugunsten der Bayern - viele hatten das vorausgesehen und quittieren das mit teilweise unqualifizierten Verbalinjurien oder Gesten; weitere rechnen ihm keinerlei Chancen aus und verbuchen den Transfer unter der Rubrik "den Konkurrenten wieder ein Talent wegkaufen", wiederum andere wünschen ihm einfach Glück.
Der aus diesem früh bekannt gegebenen Wechsel und Schlaudraffs Aussage dazu erwachsene Druck scheint ihn nun in der Rückrunde zu hemmen - zu diesem Zeitpunkt nachvollziehbar. Auch sein "Torjubel" (ein böser Blick Richtung Fanblock) nach den Beleidigungen scheint verständlich, stehen aber nun in einem völlig anderen Licht: Kritikfähigkeit (angesichts der Art und Weise der "Kritik" vielleicht die falsche Wortwahl, vielmehr ist hier seine Reaktion relevant)?
Nun folgen mal gute, mal schlechte Spiele, in denen Schlaudraff eher nicht auffällt und im Gegenteil immer mehr unterzugehen droht; immer wieder rückt seine Körpersprache und sein fehlendes Nachsetzen nach Ballverlust in den Mittelpunkt, bedingt auch durch seine Rolle als Hoffnungsträger und die geringe Punktausbeute, die die Gesamtleistung der Mannschaft widerspiegelt und vielleicht auch drückt. Hinzu kommt die allseits bekannte und kommentierte Alkoholfahrt mit Kumpel Ebbers, nach welcher nicht wenige vermuteten, Ebbers sei der beste Freund, den man haben kann, wenn er sich hinters Steuer setzt, um Schlaudraff die Höchststrafe und einen entsprechenden Ruf zu ersparen (soweit das Gerücht!).
Seine Kritiker werden wieder lauter, weichen aber immer mehr vom "Schonen für die Bayern" ab und gehen vermehrt in die Richtung Verständnislosigkeit für Schlaudraffs Verkennen der prekären Situation. Weg also von seinem Vereinswechsel.
Der Höhepunkt am 28.04.2007 gegen Berlin, als sich sein Verkennen für den Zuschauer als dreistes Desinteresse bemerkbar macht: Pinto liegt mit Wadenkrampf am Boden, Schlaudraff dreht ab und lässt ihn scheinbar liegen. Gespräch, Suspendierung, Nachkarten. Wer hat hier auf wen keine Lust mehr? Und wie lange schon?
Immer offensichtlicher wurde also ein Mangel an Kritikfähigkeit, gerade, wenn man es mit solchen Stoikern (vollkommen wertfrei!) zu tun hat, wie Schmadtke, Frontzeck oder gar Advocaat... Einen wirklichen Einblick in die Historie, also wer wann wie womit angefangen hat, wird es wohl wie immer nicht geben. Den Vorwurf des mangelnden Einsatzes und Bisses muss sich Schlaudraff aber allemal gefallen lassen, egal aus welcher Motivation das geschieht. Dazu ist er Profi: Arbeit abliefern, Vertragsbedingungen erfüllen. Auch wenn man sich (als Fan sowieso) schon lange von der puren Identifikation mit dem Arbeitgeber (dem Verein) verabschiedet hat. Ein Mindestmaß an Leistung darf man durchaus erwarten.
Das Frontzeck Interview ist jetzt auch online.
[Anmerkung]
Wie gesagt, ich halte das Ganze retrospektiv immer noch für interessant, denn mittlerweile ist Schlaudraff bei den Bayern "angekommen": ein Bandscheibenvorfall und eine dementsprechende Operation werfen ihn dahingehend zurück, dass er den Trainingsauftakt verpasst und frühestens Mitte Juli wieder angreifen könnte. Darüberhinaus deutet die jüngste offensive Transferpolitik der Bayern nicht unbedingt daraufhin, dass sie auf einen wie Schlaudraff gewartet haben...
Bleibt abzuwarten, ob sich das Ganze für Jan (sportlich) lohnt, oder ob der Berater ihm da nur einen Floh ins Ohr gesetzt hat.
chrees - 28. Jun, 10:21
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